
Persil-Reklame-Wand Zschochersche Straße
Plagwitzer rettete die Persilfrau
und jetzt die DDR-Leuchtreklamen?
Autor: A. Tappert; Leipziger Volkszeitung Online vom 04.04.2002
Leipzigs alte Leuchtreklamen bekommen doch noch eine letzte Chance: In Plagwitz hat sich der Fotograf Frank-Heinrich Müller aufgemacht, die letzten Relikte der DDR-Industriekultur zu retten. Das Echo ist bisher positiv. || «Als ich in der LVZ las, dass es Leute gibt, die sich für den Abriss der Leuchtschriften am Leuschnerplatz aussprachen, wurde ich wütend», erzählt Müller. «Den Leipzigern ist offenbar nicht bewusst, dass sie mit dieser alten Reklame ein Stück Lebensqualität verlieren würden», meint der gebürtige DDR-Bürger, der 1988 die Zulassung für den Studiengang künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst erstritt. «In Städten wie New York ist man längst dabei, solche Dinge wieder zu entdecken. Die machen eine Stadt doch erst aus. Was bleibt denn noch von Leipzig, wenn wir nach und nach alles perforieren, alles sauber und rein machen?»
Geld für den Erhalt der Leuchtschriften am Leuschnerplatz und anderswo hat der auf Großformat-Fotografie spezialisierte Künstler allerdings nicht. «Es gibt aber Leute, die dafür genug übrig haben», meint er. Als Bestätigung erzählt er die Geschichte der Persil-Reklame, die seit den 30er-Jahren an einer Giebelwand in der Zschocherschen Straße am Karl-Heine-Kanal prangt und die DDR geradeso überdauerte. Nach der Zeiten-Wende 1989 wäre sie beinahe endgültig zerfallen wenn nicht Frank-Heinrich Müller die Düsseldorfer Henkel KG als Marken-Inhaber ausfindig gemacht und einen Brief geschrieben hätte. «Ich wende mich ohne eigene finanzielle Interessen an Sie», hieß es darin. «Ich will nur, dass eine alte Persil-Reklame saniert wird.» || Die Henkelianer reagierten postwendend, rückten mit den alten Original-Schablonen an und mussten erst einmal die Giebelwand putzen, weil der Untergrund für die aufwändige Zeichnung zu marode geworden war. Dann wurde das Motiv wieder stilecht und millimetergenau aufgetragen für die Düsseldorfer eine gute Werbung, für viele Leipziger eine Erinnerung an eine verloren geglaubte Zeit. || «Der Mensch braucht so etwas», sagt Müller, der an der Persilfrau tatsächlich keinen Pfennig verdient hat. «Er merkt dann, dass er nicht irgendwo ist, sondern zu Hause. Das stiftet Identität, und das macht Leipzig unverwechselbar», sagt der 39-Jährige, der 1996 in New York als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes fotografierte und in Moskau 1998 für die Verbundnetz Gas AG Stadtbild-Motive festhielt.
Vor Monaten hat Müller eine Rettungsaktion für die Isolator-Zündkerzen-Werbung an der Ecke Prager Straße/Talstraße gestartet:Weil die Produktion nach der Wende in die Hände der Ludwigsburger Firma Beru überging und diese noch heute unter der Bezeichnung «Isolator» vorwiegend Zündkerzen für Zweitakter produziert, schrieb er die Unternehmenszentrale an. «Wie wär's, wenn Sie die Sanierung unterstützen?», fühlte er vor. «Die Firma würde die Werbung eventuell reaktivieren, wenn dies in der Stadt und bei der LWB erwünscht ist», beschreibt er den aktuellen Verhandlungsstand. || Als nächstes würde der Plagwitzer am liebsten die «Willkommen in Leipzig»-Werbung am Brühl, den roten Stern am russischen Pavillon auf der Alten Messe und die umstrittenen Leuchtschriften am Leuschnerplatz retten. «Die Schriftzüge der Volkseigenen Möbelkombinate der DDR sind bestimmt schon auf der Liste der MDR-Kulissen-Sucher», sagt Müller. «Filmemacher aus ganz Europa zahlen inzwischen viel Geld, wenn ihnen solche Orte mit einem besonderen Flair fürs Drehen angeboten werden. Wenn Leipzig ein unverwechselbares Gesicht behalten will, muss es Zeugnisse wie diese unbedingt pflegen. Ein Glück, dass wenigstens die Denkmalschützer erkannt haben, dass die Reklamen gerettet werden müssen.» || Und nicht nur die. «Als ich beim Planungsbeigeordneten Engelbert Lütke Daldrup vorsprach, hat er die Idee sofort unterstützt», berichtet Müller. Auch Lutz Thielemann, Chef der Stadtmarketing-Gesellschaft, wolle den Erhalt.
Doch weil bei allen das Geld knapp ist, bleibt die Zukunft der Schriftzüge am Leuschnerplatz weiter ungewiss. Für Frank-Heinrich Müller ist das kein Grund zum Aufgeben. «Wenn die Leipziger die Leuchtschriften tatsächlich abreißen, werde ich sie mir auf jeden Fall sichern und für bessere Zeiten konservieren. Die kommen bestimmt.»